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Stadt Offenbach

Französisch-Reformierte Gemeinde

Ganz eng mit der Geschichte verbunden ist die Französisch-Reformierte Gemeinde in der Offenbacher Herrnstraße. Unter der Gunst des Grafen Johann Philipp von Ysenburg-Büsing 1699 gegründet, nimmt die Gemeinde auch heute noch eine Sonderstellung innerhalb des Evangelischen Dekanats Offenbach ein. In französischer Sprache wird heute nur noch einmal pro Jahr gepredigt, dafür steht der Gottesdienst und auch die Gestaltung des Kircheninnenraums ganz im Zeichen des Wort Gottes – so, wie es der reformierte Glauben vorsieht.

Holzschnitzerei, mit dem Wappen der Gemeinde, das Schiff der Jünger Jesu auf dem See Genezareth.

In französischer Sprache wird heute nur noch einmal pro Jahr gepredigt, dafür steht der Gottesdienst und auch die Gestaltung des Kircheninnenraums ganz im Zeichen des Wort Gottes – so, wie es der reformierte Glauben vorsieht.

Zur Geschichte: Im Oktober 1685 hob der absolutistisch herrschende, katholische „Sonnenkönig“ Ludwig XIV. das Edikt von Nantes auf, das den evangelischen Christen in Frankreich Gewissensfreiheit und bürgerliche Gleichberechtigung zugesichert hatte. Die „Hugenotten“, wie man ursprünglich die von dem Genfer Reformator Johannes Calvin geprägten französischen evangelischen Christen voller Spott nannte, flüchteten. In Offenbach siedelten sich unter Johan Philipp Graf von Ysenburg-Büding 1698 die ersten Glaubensflüchtlinge an. 1699 wurde in Offenbach der erste französischsprachige Gottesdienst in der Schlosskirche gehalten. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts kamen weitere Glaubensflüchtlinge nach Offenbach, die dann in den Manufakturen und Fabriken Anstellung fanden, Grundstücke am Großen Biergrund erhielten und von Graf Johann Philipp mit Rechten und Privilegien ausgestattet wurden, die es ihnen ermöglichten, eine politisch selbstverwaltete Neugemeinde zu gründen als Gegenstück zur bisherigen Offenbacher (Alt-) Gemeinde.

Bereits 1717/18 wurde in der Herrnstraße die Französisch-Reformierte Kirche erbaut, deren Grundsubstanz bis heute erhalten geblieben ist. Der Sakralbau wird in ihrer typisch hugenottischen Scheunenform in die Häuserreihen integriert und soll die älteste Kirche im Innenstadtbereich sein. Durch das Testament der Offenbacherin Anna Maria Romagnac erhält die Gemeinde das Pfarrhaus auf der gegenüberliegenden Seite der Herrnstraße, das bis heute als Gemeindezentrum dient. Seit 1826 wird auch in der Französisch-Reformierten Kirche in deutscher Sprache gepredigt. Gut zehn Jahre später erhält sie eine 13-registrige Orgel, die 1905 ergänzt bis heute als Gottesdienstinstrument dient.
Ihre heutige neobarocke Fassade erhält die Kirche bei einer Renovierung 1874/75, bei der im Innenraum der Fürstenstuhl beseitigt wird. Eher untypisch für eine reformierte Kirche erhält sie Ende des 19. Jahrhunderts gemalte Fenster und Dekorationen, die aber bei den Renovierungen im 20. Jahrhundert wieder beseitigt wurden. Wer heute den Gottesdienstraum betritt, findet eine typisch reformierte Kirche vor. Die Gestaltung entspricht dem Zweiten Gebot, das den kultischen Gebrauch von Bildern verbietet. Der Raum ist schlichte gehalten, keine Verzierungen, keine Gemälde, keine Kerzen, kein Kruzifix. Alles ist auf das Wort Gottes ausgerichtet, schon beim Hineingehen daran erkennbar, dass die Kanzel in direkter Linie vom Eingangstor hinter dem Abendmahlstisch aufgestellt ist – und zwar erhöht. Von jedem Platz in der kleinen Kirche aus, selbst von der Empore, steht die Kanzel und damit das Wort Gottes im Mittelpunkt. Im Windfang der Gemeinde hängt das Wappen. Es stellt das mit den Wellen ringende Schiff der Jünger dar und soll das Leid der damaligen Flüchtlinge in Erinnerung rufen. Die Französisch-Reformierte Kirche besitzt keine Glocken, da die Statik des kleinen Turms dafür nicht ausreiche – zudem ist der Großteil der Gemeindemitglieder sowieso außer Reichweite des Geläuts.

Ansicht der französisch-reformierten Kirche von 1854

Im Unterschied zu anderen evangelischen Gemeinden in Offenbach besteht die Französisch-Reformierte Gemeinde nicht aus den evangelischen Christen aus einem abgegrenzten Wohngebiet. Für ihre Mitglieder, die in der Stadt und im Landkreis Offenbach leben, ist die Geschichte der Gemeinde und vor allem das reformierte Bekenntnis entscheidend. Darin wird die Sonderstellung der Gemeinde begründet. Nur wenige sind Nachfahren von Hugenotten. Einige haben aber Französisch als Muttersprache, beispielsweise die Gläubigen, die aus Kamerun stammen. Heute gehören ihr rund 200 Mitglieder an, Höhepunkt waren fast 600 Gemeindemitglieder um 1925. Heute gibt es noch einmal im Jahr einen französischsprachigen Gottesdienst.

Die reformierte Kirche wird aus der Gemeinde heraus geleitet, das heißt, die Gemeindeversammlung ist das oberste Organ. Zwei Ämter werden gewählt: das Presbyterium, zu dem auch der Pfarrer gehört, das die geistliche Leitung und kirchliche Verwaltung inne hat und die Diakonie, die den Dienst an Kranken, Armen und Alten leistet. So engagieren sich die Gläubigen beispielsweise bei der ökumenischen Initiative der Innenstadtgemeinden „Essen und Wärme für Bedürftige“.

Die Nähe zum Herkunftsland der Ahnen verdeutlicht nicht nur der Französisch-Lesezirkel, sondern auch die Partnerschaft mit der südfranzösischen reformierten Gemeinde in Marsillargues und zur „Chiesa Valdese“ in Turin (Italien). Auch auf ökumenischem Feld betätigt sich die Französisch-Reformierte Gemeinde, die ihre Kirche der Rumänisch-Orthodoxen Kirche für Gottesdienste zur Verfügung stellt. Ein enger Kontakt besteht auch zur Gemeinde der Menschen mit geistiger Behinderung, zum Ausdruck gebracht durch gemeinsame Ausflüge oder Veranstaltungen. In der Öffentlichkeit genießen die „Abendmusiken“ besondere Aufmerksamkeit und Wertschätzung, ebenso wie der Chor der Gemeinde.

Franz.-reformierte Gemeinde

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