Was tun bei einem Angriff?
Herr Weber, in diesen Wochen fährt in vielen öffentlichen Verkehrsmitteln die Angst mit. Viele Fahrgäste fragen sich, was zu tun ist, wenn sie in eine Pöbelei verwickelt werden. Was raten Sie Ihnen?
Das Beste ist, sich in einem Konflikt möglichst nicht hineinziehen zu lassen. Der Angreifer will das potenzielle Opfer in sein Magnetfeld bringen, also in seinen Einflussbereich haben, so dass er hierarchisch oben steht. Er will Macht und die Situation beherrschen und seine Absichten, insbesondere durch körperliche Nähe, umsetzen. Geht das angesprochene Opfer auf die Frage oder Aufforderung des Täters ein, begibt es sich selbst in das Magnetfeld des Täters hinein und steht damit ungewollt dem Täter zur Verfügung. Es hat das Täterkonzept akzeptiert und spielt nach seinen Regeln. Also, so früh wie möglich mit aufrechter Körperhaltung das noch potenzielle Konfliktfeld verlassen, nach dem Grundsatz: Kein Einstieg ist der beste Ausstieg!
Was kann der Fahrgast tun, wenn er sich schon mittendrin im Konflikt befindet?
Was sollte der betroffene Fahrgast keinesfalls machen?
Warum helfen Fahrgäste oftmals nicht, wenn sie eine Auseinandersetzung mitbekommen?
Passanten, die Pöbeleien oder Belästigungen anderer mitbekommen, fühlen sich oft überfordert. Die meisten wollen ja helfen, wissen aber nicht wie. Die wenigsten verfügen hier über Routinen, die den Umgang damit erleichtern. Dann bleibt noch die Angst, sich selbst in Gefahr zu begeben. Außerdem sind oft auch andere Passanten da, die könnten doch auch was tun, so die Rechtfertigung sich selbst gegenüber für das Nichtstun. Es gibt ja eine Menge guter Gründe, nicht zu helfen.
Was bleibt aber für ein Gefühl, wenn man Zeuge einer Auseinandersetzung wird, bei der jemand zu Schaden kam, man selbst aber hilflos daneben stand? Wenn ich sagen muss, ich war dabei, habe aber nichts unternommen?
Was raten Sie den Passanten, die eine Auseinandersetzung in der S-Bahn, an einer Bushaltestelle, auf der Straße mitbekommen?
Wie weit sollte Zivilcourage gehen? Und von welchem Verhalten raten Sie ab?
Können sich Schülerinnen und Schüler auch gegenseitig helfen, wenn eine(r) von ihnen in Bedrängnis gerät?
Wo liegen die Schwerpunkte der kommunalen Präventionsarbeit in Offenbach?
Bevor ich über Maßnahmen rede, möchte ich die Ursachen von Gewalt Jugendlicher zumindest streifen. Gewalttätige Jugendliche haben in der Regel in ihrer Familie und ihrem sozialen Umfeld Gewalterfahrungen machen müssen. Gewalt zwischen den Eltern, oder auch Gewalt gegen das Kind prägt. Gewalt wird von diesen Jugendlichen zur Konfliktlösung benutzt, aber auch um in der Clique einen gewissen Status zu erreichen und zu verteidigen. Das bringt wenigstens hier Anerkennung. Will man diese Karrieren verhindern, müssen frühzeitig die Grundwerte unserer Gesellschaft wie gegenseitiger Respekt den Kindern vermittelt werden. Dort, wo Familien überfordert oder nicht dazu in der Lage sind, müssen andere ran.
Wir Erwachsenen dürfen unsere Vorbildfunktion nicht vergessen: Dem Anderen mit Respekt begegnen, hilfsbereit sein, wir müssen das vorleben! In der Stadt Offenbach wurden für die Kommunale Präventionsarbeit Strukturen geschaffen, damit die Maßnahmen und Projekte besser aufeinander abgestimmt werden können. Kinder sollen so früh wie möglich erreicht werden, aber auch deren Mütter und Väter.
Kindertagesstätten und Schulen spielen hier eine wichtige Rolle. Wesentliche Ziele sind dabei die Vermittlung gesellschaftlicher Werte, Persönlichkeitsentwicklung, Konfliktfähigkeit, Grenzen setzen.
Andere Präventionsmaßnahmen setzen im öffentlichen Raum an, in den Stadtteilen oder auch generell bei den Bürgerinnen und Bürgern, auch zur Stärkung des Gemeinwesens. Hier geht es darum, durch Beeinflussung von Rahmenbedingungen die Gefahr durch Gewalttaten zu verringern oder mit diesen besser umgehen zu können. Wichtig ist die Verzahnung und Kommunikation der unterschiedlichen gesellschaftlichen Kräfte in Offenbach mit den städtischen Ämtern und Gesellschaften und der Polizei, Staatsanwaltschaft, Amtsgericht, Staatliches Schulamt.
Beim Ordnungsamt, Geschäftsstelle Kommunale Prävention, laufen viele Fäden zusammen. Bei aller Prävention müssen bei Fehlverhalten aber auch Sanktionen erfolgen. Gerade Kindern und Jugendliche müssen merken, dass unangenehme Konsequenzen drohen, wenn Regeln nicht eingehalten werden. Hier sind neben den Erziehungsberechtigten insbesondere auch die Erzieherinnen und Erzieher in den Kitas, die Lehrkräfte in den Schulen, die Ordnungs- und Strafverfolgungsbehörden gefordert.
Schulschwänzer zum Beispiel werden in Offenbach von Stadt- oder Schutzpolizisten zwangsweise in die Schule gebracht. Wer nur Maßnahmen androht, dann aber nichts tut, macht sich lächerlich. Straffällige Jugendliche brauchen schnell anberaumte Gerichtsverfahren, die zu schnellen und spürbaren Sanktionen führen. Allein ein erhobener Zeigefinger mit der Bitte – „Mach das ja nicht wieder!“ löst höchstens ein verächtliches Grinsen aus. Nachgiebigkeit wird als Schwäche empfunden.
Kann man den Umgang mit brenzligen Situationen auch praxisnah erlernen?
Wir, die Stadt Offenbach, bieten gemeinsam mit der Polizei im Rahmen der landesweiten Kampagne „Gewalt-Sehen-Helfen“ regelmäßig Seminare an, in denen Bürgerinnen und Bürger den Umgang mit gewaltgeladenen Situationen in Rollenspielen üben können. Die Kampagne „Gewalt-Sehen-Helfen“ richtet sich gegen die Unkultur des Wegschauens in Konflikt- und Gewaltsituationen und möchte Zivilcourage in unserer Gesellschaft stärken.
Wir bekommen von den teilnehmenden Bürgerinnen und Bürger regelmäßig positive Rückmeldungen. Bei den letzten Seminaren konnten nicht alle Interessenten berücksichtigt werden. Ich empfehle deshalb bei Interesse eine baldige Anmeldung.
März 2015