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Stadt Offenbach

Istanbul-Konvention: Dialogforum thematisierte Gewaltschutz für ältere Frauen

25.07.2024

Die 2018 von Deutschland ratifizierte Istanbul-Konvention definiert Standards für den Schutz von Frauen vor Gewalt unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Lebensrealitäten und Vulnerabilitäten. Nachdem eine Bestands- und Bedarfsanalyse des Frauenbüros Offenbach im Jahr 2021 gezeigt hat, dass insbesondere ältere Frauen nach Gewalterfahrungen erschwerten Zugang zu Hilfen haben, ist einiges in Bewegung gekommen. Ein weiterer wichtiger Schritt im Gewaltschutz wurde am 10. Juli mit dem ersten Dialogforum gemacht. Dafür hatte die beim Frauenbüro angesiedelten Koordinierungsstelle Istanbul-Konvention Fachleute und Interessierte eingeladen, um über häusliche und geschlechtsspezifische Gewalt älteren Frauen gegenüber zu diskutieren und konkrete Lösungsansätze für Offenbach zu entwickeln.

„Die Umsetzung der Istanbul-Konvention ist für Offenbach von zentraler Bedeutung. Wir müssen sicherstellen, dass alle Frauen den in der Konvention festgehaltenen Schutz und Unterstützung erhalten. Dabei müsse wir auch den unterschiedlichen Lebensrealitäten von Frauen gerecht werden, etwa jene mit Einschränkungen, Migrationsgeschichte oder eben ältere Frauen – eben alle, die einen erschwerten Zugang zu Hilfen oder eben auch besondere Bedarfe haben“, so Oberbürgermeister Dr. Felix Schwenke. „Ich begrüße es sehr, dass dieses Dialogforum die dringend benötigte Aufmerksamkeit auf ältere Mitbürgerinnen gelenkt hat.“ Das Treffen im Bernhardbau fand großen Anklang und brachte Fachleute aus verschiedenen Bereichen wie dem Hilfesystem, der Seniorenarbeit, der Politik und der Polizei zusammen. In Diskussionsrunden wurden zentrale Fragen thematisiert: Ab wann gilt eine Frau als „alt“? Welche Hürden erschweren älteren Frauen den Zugang zu Unterstützungsangeboten? Und wie kann das Bewusstsein für Gewalt als Unrecht in dieser Altersgruppe nachhaltig geschärft werden?

„Ältere Frauen sind oft mit spezifischen Barrieren konfrontiert, die ihnen den Zugang zu Hilfsangeboten erschweren. Sei es, dass sie Gewalt als etwas Gegebenes gelernt haben, mit traditionellen Rollenbildern aufgewachsen sind und sich durch langjährige Abhängigkeiten oder auch Verpflichtungsgefühlen schwerer aus Partnerschaften lösen können oder schlicht an Sprach- oder Mobilitätsbarrieren scheitern. Wir müssen diese Zugangsbeschränkungen identifizieren und abbauen,“ erklärte Dr. Inga Halwachs, Kommunale Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte.

Anregungen für den Aktionsplan „Gewaltfrei leben in Offenbach“

Paula e.V. in Köln ist die einzige Fachberatungsstelle in Deutschland, die sich gezielt an gewaltbetroffene ältere Frauen richtet. In ihrem Vortrag beleuchtete Denise Klein die besonderen Herausforderungen dieser Zielgruppe: Dazu zählen neben körperlichen Einschränkungen, soziokulturellen Faktoren wie einem anderen Gewaltverständnis und traditionelle Rollenbilder auch eine oftmals mit dem Alter einhergehende Isolation. Ältere Frauen werden dann nicht erreicht oder haben keine Kenntnis von Hilfsmöglichkeiten. Diese müssten zielgerichteter adressiert werden, so Klein, denn beispielsweise bei der Gestaltung von Informationsmaterialien und Unterstützungsangeboten werde diese Gruppe oft nicht mitgedacht. Anschließend sprach sie mit Ria Ellers von Pro Familia Offenbach und der kommunalen Altersplanerin Astrid Hubert über die Situation in Offenbach, über die bestehende Angebote und die Maßnahmen, die zur besseren Erreichbarkeit älterer Frauen ergriffen werden sollten.

„Der kontinuierliche Austausch und die Vernetzung der verschiedenen Akteurinnen und Akteure sind entscheidend, um das Hilfesystem altersgerecht und niedrigschwellig zu gestalten. Insbesondere die Vernetzung der Bereiche Seniorenarbeit und Gewaltschutz ist dabei essenziell. Wir müssen sicherstellen, dass die Betroffenen von den Angeboten wissen und die Bedürfnisse der jeweiligen Zielgruppe berücksichtigt werden,“ unterstrich Luzia Rott, Fachreferentin für die Umsetzung der Istanbul-Konvention in Offenbach.

In verschiedenen Arbeitsgruppen entwickelten und diskutierten die Teilnehmenden praxisnahe Maßnahmen, die in den Aktionsplan zur Umsetzung der Istanbul-Konvention einfließen sollen: Dazu gehören die Schulung und Sensibilisierung von Fachpersonal ebenso wie der Ausbau altersgerechter Informationsangebote und die Schaffung spezifischer Beratungsangebote für ältere Frauen in Offenbach. Darüber, dass dabei auch die religiösen Gemeinden, Vereinen und Unternehmen eingebunden werden, waren sich alle einig. Viele der Teilnehmenden wollen das Thema und die damit verbundenen Fragestellungen in ihren beruflichen und privaten Kontexten weitervorantreiben. „Wir sind dankbar für den qualifizierten Input“, fasste Rott den Tag zusammen. „Die vielen Anregungen und Ideen helfen uns bei unserer Arbeit am Aktionsplan für ein Leben ohne Gewalt in Offenbach weiter, der ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der Lebenssituation von jungen bis älteren Frauen sein wird.“

 

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