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Stadt Offenbach

Unterschiedliche Ursachen für Risse an Gebäuden / Stadt Offenbach erarbeitet transparentere Verfahren

23.11.2018

Offenbach am Main, 23. November 2018 – In vielen Kommunen gibt es derzeit Setzungen an Gebäuden. Auch in Offenbach wird dieses Phänomen beobachtet. Die Ursachen können vielfältig sein – unter anderem hat der extrem lange und trockene Sommer Böden sichtbar schwinden lassen.

Große Bäume geraten häufig auch in den Verdacht, für Schäden an Gebäuden verantwortlich zu sein. Handelt es sich um städtische Bäume, sind verschiedene Organisationseinheiten mit Anfragen von Bürgern dazu befasst. Bau- und Umweltdezernent Paul-Gerhard Weiß hat die beteiligten Ämter aufgefordert, die Verfahren für Bürger transparenter zu gestalten. Unter Leitung des Amtes für Umwelt, Energie und Klimaschutz wurde jetzt dieser Prozess gestartet.

Zuständig für die städtischen Bäume ist das Referat Stadtgrün vom Amt für Stadtplanung, Verkehrs- und Baumanagement. Hier wird über Neupflanzungen entschieden und die erste Prüfung von Fällanträgen vorgenommen. Antragsteller erhalten eine Bestätigung des Eingangs mit dem Hinweis, dass die Prüfung voraussichtlich etwa vier Wochen dauert. Weil auch für eventuell später auftretende Versicherungsansprüche ein Gutachten benötigt wird, empfiehlt Referatsleiterin Annette Glowania ein aussagefähiges Gutachten einzuholen. „Wir haben mehrere dokumentierte Fälle, in denen die Bäume gefällt wurden, aber die Häuser sich auch Jahre später weiter setzen“, erläutert Glowania. Deshalb sei es wichtig, die tatsächliche Ursache zu ermitteln, um die richtigen Maßnahmen ergreifen zu können.

Derzeit wird bei der Stadt Offenbach unterschieden zwischen Anträgen auf Fällung von Bäumen mit und ohne Schadenersatz. Wenn für Schäden an einem Gebäude Schadenersatz gefordert wird, weil ein städtischer Baum als Verursacher genannt wird, wird der Fall an die kommunale Versicherung übergeben. Danach hat die Stadt zunächst keinen Einfluss mehr auf das Verfahren. Der Versicherer fordert Gutachten zum Nachweis der Ursachen an und teilt das Ergebnis direkt dem Antragsteller mit.

Bei Anträgen auf Fällung von Bäumen ohne eine Schadenersatzforderung bleibt das Verfahren bei der Stadt. „Für einen Hausbesitzer gibt es nach Feuer und Sturm nichts Schlimmeres als Setzungen. Wir wollen den Menschen gerne helfen. Wenn ein Gutachten wissenschaftlich die Ursachen klärt, dann klar ist, dass ein Baum dafür verantwortlich ist – und die Fällung das Problem behebt – genehmigen wir die Fällung“, erläutert Kathrin Schmollinger von der Unteren Naturschutzbehörde.

Das Gutachten dient der Unteren Naturschutzbehörde als Grundlage für die gesetzlich geforderte ausführliche Begründung einer Fällung vor deren Genehmigung. Solche Gutachten müssen nach einschlägigen Urteilen alle möglichen Ursachen untersuchen – das bedeutet, es werden Erkenntnisse verschiedener Fachrichtungen wie Baustatik, Bautechnik, Baugrund und Baumkunde benötigt. Das gilt für alle Fällanträge – auch bei Privatpersonen.

Eine mögliche Ursache für Setzungen ist der Boden, auf dem gebaut wurde. In Offenbach gibt es unterschiedliche Tonschichten und den sogenannten Rupelton. Dieser reagiert auf lange Trockenperioden – er schrumpft. Der Untergrund kann jedoch von Grundstück zu Grundstück variieren – deshalb muss ein Gutachten den Bodentyp bestimmen und dessen Schrumpf- und Quellverhalten.

„Über den Boden in Offenbach gibt es leider nur allgemeine Daten – es muss deshalb jedes Grundstück für sich betrachtet werden“, erläutert Isabel Fella von der Unteren Naturschutzbehörde. Sie arbeitet derzeit an einem Überblick über bekannte Setzungen in Offenbach.

Als problematisch erweist sich je nach Boden, wenn Gebäude und Anbauten unterschiedlich tief gegründet sind – oder neue Gebäude deutlich höher sind und damit mehr Druck auf den Boden ausüben. In Offenbach ist der Bau der S-Bahn als großes Bauprojekt in Erinnerung. Aktuell wird zudem an sehr vielen Stellen neu gebaut – auch das kann vorhandene Gebäude beeinflussen.

Auch die Verhältnisse im Grund- und Schichtwasser betrachtet ein seriöses Gutachten. Denn in Offenbach gibt es Stellen, an denen das Grundwasser zeitweise ganz verschwindet und später zurückkehrt. Probleme können auch Baustellen in der Nähe erzeugen: Entweder durch Absenkung des Grundwassers für die Bauzeit oder durch großflächige Versiegelungen. Letztere bewirken ebenfalls die Austrocknung des Bodens – denn hier kann kein Regen mehr in den Boden gelangen.

„Bäume haben für unsere Stadt eine sehr wichtige Funktion, sie reinigen die Luft, dienen als Lärmschutz, sorgen für ein gutes Klima und sind Lebensraum. Deshalb unterliegen sie dem besonderen Schutz der Grünschutzsatzung. Wir machen uns die Entscheidung über eine Fällung deshalb nicht leicht und brauchen wissenschaftlich nachvollziehbare Fakten, die es wahrscheinlich machen, dass das Problem mit der Fällung auch gelöst ist. Wir wollen auch den Hausbesitzern damit helfen. Es nutzt ja nichts, wenn der Baum weg ist, das Haus aber weitere Risse bekommt, weil es eine andere Ursache gibt“, erläutert Heike Hollerbach, Leiterin des Amtes für Umwelt, Energie und Klimaschutz.

Deshalb muss das Gutachten auch die Physiologie des Baumes berücksichtigen: Wie wurzelt er, welche Ansprüche stellt er an den Standort und wie geht er mit Trockenheit oder Staunässe um. Der lange trockene Sommer hat zum Beispiel bei vielen Bäumen dazu geführt, dass die Blätter vorzeitig abgeworfen wurden. Damit sorgt der Baum für eine geringere Verdunstung. Ein Gutachten prüft die Verdunstungsleistung und die Saugspannung im Boden.

„Wichtig ist bei Neupflanzungen auf die richtige Größe der Baumscheibe zu achten. Sind diese zu klein, kann der Baum nur schwer gewässert werden – denn Wasser nimmt er mit den ganz kleinen äußeren Wurzeln auf und nicht am Stamm“, appelliert Baumexperte Johannes Irgel, Leiter Grünwesen von der ESO an Planer und Architekten. Auch das Wachstum von Bäumen müsse einkalkuliert werden. Ebenso wie der Naturschutzbeirat hält er es für wenig wahrscheinlich, dass ein Baum allein mit seiner Saugspannung den Boden so austrocknen kann, dass er deutlich schrumpft. Er könne aber den Effekt verstärken, wenn ein Boden bereits aus anderen Gründen austrocknet.

„Eine Fällung oder ein Rückschnitt können auch Probleme aufwerfen. Die Wurzeln gefällter Bäume verrotten nach Jahren und dann entsteht dort ein Hohlraum. Wird auf frisch gerodeter Fläche gebaut, kann das später für Setzungen sorgen. Ein radikaler Rückschnitt sorgt zwar kurzfristig für weniger Verdunstungsfläche – es ändert aber nichts an den Setzungen. Im nächsten Jahr treibt der Baum dann allerdings um fast das Doppelte wieder aus, weil er den Rückschnitt als Gefahr wahrnimmt“, so Irgel. Der ESO ist von der Stadt mit Pflege und Verkehrssicherung für das gesamte Stadtgrün beauftragt und führt ein Baumkataster. Wird eine Fällung genehmigt, übernimmt der ESO die Fällung.

Die beteiligten Organisationseinheiten wollen jetzt für Bürgerinnen und Bürger die Verfahren vereinfachen und transparenter machen. Unter anderem soll ein Mindeststandard für das Gutachten definiert werden, damit der Auftrag an den Gutachter klar formuliert werden kann.

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