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Stadt Offenbach

Stolperstein für Wilhelm und Selma Neuhaus

Beschreibung

Wilhelm Neuhaus wurde am 10. Juli 1876 als Sohn des jüdischen Bürgers August Neuhaus und dessen Ehefrau Lina, geb. Katzenstein, in Offenbach geboren. Wilhelm hatte noch fünf Geschwister, diese waren Ludwig, Friedrich, Hedwig, Friederike und Adolph.

Wilhelms Vater, August Neumann, hatte seit 1873 einen prosperierenden Handel mit Kohlen, Koks und Briketts sowie Brennstoffen jeder Art aufgebaut. Nach dessen Tod im November 1918 führten die Söhne Ludwig, Friedrich und Wilhelm die Firma unter dem Namen August Neuhaus weiter.
Die Familie verfügte über ein großes Lager im Offenbacher Hafen 18 und besaß zwei ansehnliche Wohnhäuser in der Bismarckstraße gegenüber dem Hauptbahnhof.

Bis auf einen kurzen Aufenthalt in Stuttgart Cannstadt lebte und arbeitete Wilhelm Neuhaus durchgängig in Offenbach. In erster Ehe war er mit der 1877 in Offenbach geborenen Jüdin Katharina Stüber verheiratet, die im März 1930 verstarb. Im Dezember 1931 heiratete Wilhelm Neuhaus Selma Simons in Seligenstadt. Sie wurde dort am 29. August 1886 als Tochter von Philipp und Mathilde Simons geboren. Bis 1931 lebte sie mit ihren Eltern und Schwester Emma, geb.1891,in Seligenstadt, wo sie als Schneiderin und Haushälterin tätig war.


Nach der Eheschließung wohnten Wilhelm und Selma Neuhaus zunächst in der Bismarckstraße 139 in Offenbach. Das Kontor der Firma befand sich nebenan in der Bismarckstraße 137. Nach dem Ausscheiden der Brüder Ludwig und Friedrich aus der Firma war Wilhelm Neuhaus ab 1930 zusammen mit einem neuen Kompagnon Geschäftsführer der Kohlen-Großhandlung und führte das Geschäft erfolgreich weiter. Allerdings nur für eine kurze Zeit.

Angesichts der vom NS-Regime verfügten Diskriminierung jüdischer Unternehmen musste Wilhelm Neuhaus bereits 1936 das Geschäft aufgeben und abmelden. Auch die beiden Wohnhäuser in der Bismarckstraße konnte die Großfamilie Neuhaus nicht halten. Ab 1937 wurde im Adressbuch als neuer Eigentümer die „arische“ Firma Raab-Karcher Gmbh verzeichnet, die ebenfalls im Handel mit Kohle und weiteren Produkten tätig war.

Wilhelm Neuhaus lebte zu dieser Zeit mit seiner Frau Selma schon in der Mainländerstraße 5. In das Haus zog 1937 auch Selmas Mutter, Mathilde Simons, ein, deren Ehemann Philipp bereits 1929 verstorben war. Alle pflegten Kontakt zu Mathildes Tochter bzw. Selmas Schwester Emma, die mit dem evangelischen Stoffhändler Erich Gerber verheiratet war, in Frankfurt lebte und zwei Töchter namens Erika und Hanna hatte.

Ab 1940 stand das Haus der Familie Neuhaus in der Mailänderstraße 5 unter ständiger Beobachtung des NS- Ortsgruppenleiters. Von ihm wurden zwei sogenannte Volksgenossinnen aus der Nachbarschaft wegen „staatsgegnerischen Verhaltens“ denunziert, da sie mit ihrem früheren Arbeitgeber Wilhelm Neuhaus freundschaftliche Unterhaltungen geführt und das Ehepaar Neuhaus zu sich eingeladen hatten.

Bis 1942 wohnten Selma und Wilhelm Neuhaus mit Mathilde Simons noch in der Mainländerstraße 5. Dann zogen sie aus, wohl wegen der seit 1938 bestehenden NS-Verordnung über den Entzug jüdischen Hauseigentums. Im Haus-Eigentümerverzeichnis ist zu einem späteren Zeitpunkt ohne genaue Datenangabe die Stadt Offenbach als Eigentümer eingetragen.

Ab April 1942 wohnten Wilhelm und Selma Neuhaus mit Mathilde Simons in der Kaiserstraße 115. Dieses Haus war Eigentum der einst wohlhabenden jüdischen Familie Kamberg. Miteigentümer des Hauses und der einstigen Handelsfirma für Mehl und Getreide waren Willy Bachrach und seine Ehefrau Bertha, eine geborene Kamberg.

Seit 1939 wohnten in diesem Haus noch weitere jüdische Familien, die entweder aus ihren Wohnhäusern ausgewiesen worden waren oder ihr Hauseigentum ganz aufgeben mussten. Für die meisten Bewohner der Kaiserstraße 115 war angesichts der verschärften Lebensbedingungen und der zunehmend schlechteren finanziellen Situation eine Emigration ins Ausland nicht mehr möglich. Sie mussten in Offenbach bleiben und wurden deportiert.

Wilhelm und Selma Neuhaus mussten sich zusammen mit Mathilde Simons am 27. September 1942 am Sammelplatz einfinden. Dieser befand sich direkt gegenüber dem Wohnhaus in der Kaiserstraße neben der ehemaligen Synagoge. Am 28. September wurden sie von Darmstadt aus mit dem Transport XVII/1 329 nach Theresienstadt deportiert. Auf der Meldekarte der Deportierten wurde im Oktober von den NS-Beamten vermerkt: „Auf Reisen“ bzw. „nach unbekannt verzogen.“

Mathilde Simons starb bereits kurz nach der Ankunft in Theresienstadt , am 03. Oktober 1942. Selma und Wilhelm Neuhaus schickten noch eineinhalb Jahre lang Postkarten aus dem Ghetto Theresienstadt an die Familie ihrer Schwester Emma in Frankfurt und erhielten von ihr Pakete, wie eine überlebende Großnichte berichtet.

Am 18. Mai 1944 wurden sie dann von Theresienstadt mit dem Transport EB 1436 nach Auschwitz gebracht und getötet. 

Stolperstein für Wilhelm und Selma Neuhaus, geb. Simons

Mainländerstraße 5
Offenbach

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